Das Verb macht’s – zur Bedeutung von Verben in der Anwendungsdokumentation

Verben sind mächtige sprachliche Werkzeuge – speziell in der Technikredaktion. Als Tunwörter unterstützen sie vor allem das aufgabenorientierte Schreiben, das A und O der Anwendungsdokumentation. Darüber hinaus haben sie für die Leserschaft eine wichtige Differenzierungs- und Orientierungsfunktion, sei es, dass anleitende Textabschnitte leichter zu erkennen, Aktionen klarer zu unterscheiden und Akteure genau auszumachen sind oder dass sich die Leser einfach nur besser zurechtfinden. Wo Verben helfen und welche sich eignen, erläutert dieser Vortrag an Beispielen aus der Praxis.

Weiterlesen: Artikel zum Vortrag auf der tekom Jahrestagung 2007

Warum sind Verben für die Anwendungsdokumentation so wichtig?

Nach dem Kauf interessiert die Kunden weniger, was ein Produkt alles leistet, sondern vielmehr, wie sie ihre Aufgaben, ihre täglichen Arbeiten, mithilfe des Produkts schnell und effizient erledigen können. Doch wo immer es um Aufgaben geht, geht es um ein Tun. Und zu jedem Tun gehört ein Tunwort. Deshalb kommt die Anwendungsdokumentation, die den Anwendern schließlich nahe bringen will, was sie mit dem Produkt in welcher Weise tun können, ohne Tunwörter nicht aus.

Was leisten Verben?

In der Anwendungsdokumentation haben Verben eine Reihe verschiedener Funktionen. Vor allem jedoch helfen sie der Leserschaft, Information zu differenzieren und sich dadurch zu orientieren. Daneben erleichtern sie uns Autor(inn)en das Schreiben.

Differenzieren: Verben helfen, Textarten, Inhalte und Aktionen zu differenzieren.

  • Textarten differenzieren: Verben erleichtern, beschreibende und anleitende Textabschnitte zu unterscheiden, vor allem im Inhaltsverzeichnis. Während die substantivische Überschrift „Datenverwaltung“ sich ebenso gut auf einen beschreibenden wie einen handlungsanleitenden Text beziehen könnte, ist es ziemlich wahrscheinlich, dass sich unter „Daten verwalten“ ein aufgabenorientierter und handlungsanleitender Text verbirgt.
  • Inhalte differenzieren: Die sparsame Überschrift „Bedienoberfläche“ sagt noch nicht viel über den Inhalt des betreffenden Kapitels aus. Überschriften wie „Bedienoberfläche kennen lernen“ und „Bedienoberfläche einrichten“ liefern hingegen konkrete bedienrelevante Anhaltspunkte.
  • Aktionen differenzieren: In der Softwaredokumentation beispielsweise gibt es wiederkehrende Aktionen wie Bestätigen, Aktivieren, Markieren usw. Jede Aktion sollte ein spezifisches, möglichst eindeutiges Verb im Schlepptau haben. So lassen sich Aktionen schon anhand des Verbs klar unterscheiden.

Orientieren: Was der Differenzierung dient, kann für die Orientierung nicht schlecht sein. Denn eine leichtere Differenzierung unterstützt die Inhaltssuche, gibt Bediensicherheit und vermittelt Vertrautheit, wodurch sich der Anwender im Dokument ebenso wie bei der Produktbedienung besser zurechtfindet.

  • Inhaltsuche unterstützen: Verben erleichtern, beschreibende und anleitende Textabschnitte zu erkennen, und das bereits im Inhaltsverzeichnis, wo der Anwender seine Informationssuche in der Regel beginnt. So findet er gezielt die Textabschnitte, deren Überschriften den gewünschten Inhalt (beschreibend oder handlungsanleitend) vermuten lassen. Insgesamt liefern Verben konkrete bedienrelevante Anhaltspunkte, an denen sich der Leser bei der Textwahl orientieren kann, und die Unterscheidung beschreibender und anleitender Kapitel (mittels Verben) verschafft einen besseren Überblick über den Bedienumfang.
  • Vertrautheit herstellen: Das bereits beschriebene Verknüpfen bestimmter Aktionen mit spezifischen, möglichst eindeutigen Verben bringt den Vorteil, dass dem Leser bei gleichen Aktionen das gleiche Verb an verschiedenen Stellen eines Dokuments verlässlich wiederbegegnet (sofern die Konsistenz gewahrt wird). Dieser Wiedererkennungswert schafft über die Kapitel hinweg eine gewisse Vertrautheit mit den Bedienaktionen.
  • Bediensicherheit geben: Bei handlungsanleitenden Textabschnitten gilt es, den Leser sicher zum gewünschten Ziel zu führen. Auch das ist letztlich eine Frage der Orientierung. Verben können dabei helfen, schon durch die Vertrautheit, die sie herstellen (siehe oben). Aber auch das klare Benennen, des jeweiligen Akteurs, das erst durch Verben möglich wird, kann entscheidend sein. Es ist durchaus von Belang, ob der Anwender in Aktion treten muss oder ob beispielsweise ein PC eine Aktion automatisch ausführt. Dies zu klären, ist jedoch nicht allein vom Verbeinsatz als solches abhängig, sondern auch von der Verbqualität, weshalb unter anderem Verben in der Aktivform zu bevorzugen sind.
  • Schreiben vereinfachen: Die Aufgaben, die Anwender mit einem Produkt ausführen können, sind praktisch schon Ihre Überschriften. Wenn Sie zu jeder Aufgabe ein passendes Verb finden, haben Sie Ihre aufgabenorientierten Überschriften und damit das Inhaltsverzeichnis (zumindest vom Umfang her) quasi schon so gut wie fertig. Aber auch beim das Erstellen von Lauftext oder erklärenden Texten in Tabellen erleichtern Verben das Formulieren.

Warum fehlen Verben oft?

Vielfach kommen die Verben in der Technikdokumentation und speziell bei den Überschriften zu kurz, weil die Autor(inn)en sich am Produkt entlanghangeln und sich beispielsweise bei Software an Begriffe der Bedienoberfläche klammern, statt sich an den Aufgaben des Anwenders zu orientieren. Das kann aus einer gewissen Unkenntnis des praktischen Produkteinsatzes und der realen Arbeitsabläufe entstehen, aber auch mit dem Ziel, sich das Strukturieren der Dokumentation zu erleichtern – oft genug ein Irrglaube. Irrig ist auch die Annahme, die Anhäufung von Substantiven und Substantivierungen verleihe Dokumenten einen seriöseren und anspruchsvolleren Charakter, wodurch sie insgesamt mehr hermachten. Stattdessen wirkt der Text kompliziert, schwer lesbar und schwer verständlich – genau das, was wir in der Technikdokumentation eigentlich nicht gebrauchen können.

Welche Verben eignen sich?

Verben zu verwenden ist schon die halbe Miete. Möglichst geeignete zu finden ist das i-Tüpfelchen. Allem voran sollten Verben prägnant sein, das bedeutet: kurz, treffend und aussagestark. Aussagestark heißt aber auch, dass starre und leblose Verben bewegten und lebendigen weichen sollten, hinter denen sich tatsächlich ein Tun verbirgt. Zudem sind Verben vorzuziehen, die bei jedwedem Satzbau Satzklammern ausschließen. Je nachdem, welche Funktion das jeweilige Verb haben soll (mehrere Aufgaben zusammenfassen, einzelne Aufgaben spezifizieren …), ist letztlich die Wahl des richtigen Wortes entscheidend. Denn irgendwelche dahergelaufenen Tunwörter tun’s meist nicht.

Folien zum Vortrag auf der tekom-Jahrestagung 2007