Ordnung ist das halbe Lesen

Niemand liest gern Handbücher. Und der Unwille steigt, je mehr Themendickicht und Textgestrüpp ihren Lesetribut fordern. Echte Leidenschaft fürs Handbuchlesen lässt sich schwerlich wecken. Aber wir können den Unwillen mindern, wenn unsere Dokumente auch bei wenig Lesen viel hergeben. Räumen wir also auf mit dem Lesemarathon. Schaffen wir ganz einfach Ordnung: in Handbuch, Kapitel und Satz. Denn Ordnung ist das halbe Lesen.

Weiterlesen: Artikel zum Vortrag auf der tekom-Jahrestagung 2003

Um ein Handbuch lesefreundlich zu strukturieren, müssen wir mehreres in Ordnung bringen:

  • Themengliederung
  • Struktur der Textinhalte
  • Seiten- und Textgestaltung

Lassen Sie uns exemplarisch einige Detailfragen aufgreifen. Lernen Sie Methoden und Hilfsmittel kennen, die das Strukturieren erleichtern und die gesamte Handbucherstellung vereinfachen.

Thema gliedern

Ein Thema gliedern heißt zunächst: aussagekräftige Überschriften formulieren und diese sinnvoll ordnen.

Überschriften formulieren: Die Kunst besteht darin, prägnante Überschriften zu finden. Der Vorspann unserer Dokumente kommt jedoch meist zu kurz. Beispielsweise transportieren Begriffe wie „Vorwort“ oder „Einleitung“ keine nennenswerte Aussage. Eine Überschrift muss das Thema benennen, exakt und verständlich. Zudem müssen wir die Schlüsselinformationen lesefreundlich platzieren; nur wenn die Überschrift schnell zur Sache kommt, gelingt das auch den Lesern.

Reihenfolge und Hierarchie festlegen: Damit unser Handbuch geradlinig durchs Thema führt, müssen Überschriften, also auch Kapitel und Unterkapitel, aufeinander aufbauen. Folgende Fragen sind entscheidend: Welche Reihenfolge ist nutzungsabhängig vorgegeben? Welche Reihenfolge ist für den Lernerfolg maßgebend?

Der Vorspann kann erneut zum leidigen Thema werden, wenn wir z. B. das Produkt vorstellen, bevor wir die Zielgruppe definieren. Bewährte Muster können helfen, solche Ausrutscher zu vermeiden. Auch eine flache Überschriftenhierarchie erhöht die Lesefreundlichkeit. Inhaltsverzeichnisse verlieren ihren Schrecken, und niemand geht in den Kapiteln unter. Tabu sind „einsame“ Überschriften, z. B. 1.1 ohne mindestens 1.2; denn wer A sagt, muss auch B sagen.

Textinhalte strukturieren

Klare inhaltliche Strukturen erleichtern den Lesern Verständnis und Orientierung. Aber auch unsere Arbeit wird einfacher. Lohnend sind wiederverwendbare Vorlagen, die festlegen, wie wir z. B.

  • Kapitelinhalte gliedern,
  • Schrittanleitungen systematisieren,
  • Satzbau und Wortfolge optimieren.

Kapitelinhalte gliedern: Während beim Inhaltsverzeichnis der nutzungsorientierte Ansatz im Vordergrund steht, greift beim Kapitelaufbau vor allem der lernorientierte. D. h. wir müssen die Leser behutsam, zielgerichtet und sicher ins Thema einführen. Ein erster Überblick hilft, Kapitelinhalt und -umfang einzuschätzen. Anschließend vermitteln themenspezifische Allgemein- und Hintergrundinformationen die nötigen Grundlagen. Erst dann lassen wir den Anwender zur Tat schreiten. „Nice-to-have-Informationen“ kommen allenfalls zum Schluss.

Schrittanleitungen systematisieren: Das Wichtigste ist: Jeder Bedienschritt soll nur eine wesentliche Aktion enthalten, die als Anweisung formuliert sein muss. Vorabinformationen sowie Bedienergebnisse gehören in einen separaten Absatz. Allein den Aktionszweck können wir bei entsprechendem Satzbau mit der Anweisung koppeln. Darüber hinaus gilt: Schrittanleitungen so kurz wie möglich halten. Deshalb  sollten weder Feld-für-Feld-Eingaben noch ergebnisgleiche Bedienalternativen hinein. Bedienverzweigungen hingegen müssen wir beschreiben, aber anders strukturieren. Da können „unsichtbare“ Tabellen Wunder wirken.

Satzbau und Wortfolge optimieren: Texte sind wenig lesefreundlich, wenn in Satz und Wort Informationen unlogisch aufeinander folgen. So gehört bei Anleitungen der „Zweck der Übung“ stets vor die Anweisung. Nur so lassen sich Folgen rechtzeitig absehen und voreilige Schritte vermeiden. Auch ist im Menü „Datei“ der Befehl „Öffnen“ schneller gefunden, als der Befehl „Öffnen“ im Menü „Datei“. Gleiches gilt z. B. für die Schaltfläche „Drucken“, die nicht zur Drucken-Schaltfläche mutieren sollte. Wenn wir eine produktseitig vorgegebene bzw. orientierungsfreundliche Reihenfolge missachten, kann das die Leser irritieren und mehr Denkarbeit bereiten als nötig.

Seiten und Text gestalten

Ein großzügiges Seitenlayout mit klarem Textbild wirkt ansprechend und macht die angebotene Information leichter auffindbar. Deshalb ist für die Lesefreundlichkeit mit entscheidend, ob und wie wir z. B.

  • Seiten gliedern,
  • Leitsysteme optimieren,
  • Texte anordnen.

Seiten gliedern: Seiten sind oft überladen, weil der Mut zur Lücke fehlt. Aber Ordnung braucht (und schafft!) Platz. So beträgt z. B. der Satzspiegel vorzugsweise 2/3 der Seite, wobei eine Zeilenlänge von ca. 65 Anschlägen (je nach Schriftart und -größe) das Lesen zusätzlich erleichtert. Durchdachte Dokumentvorlagen sind der erste Schritt zu einem gut strukturierten Handbuch. Aber Vorsicht: Nicht jedem Thema steht das gleiche Kleid. Deshalb dürfen wir uns dem Layout nicht blind unterwerfen, sondern müssen es den Inhalten anpassen. So viel Freiheit muss sein.

Leitsysteme optimieren: Rund-um-Lesefreundlichkeit ist ohne Leitsystem nicht denkbar. Dazu gehören in jedem Fall die bewährten Kopf- und Fußzeilen, für die grundsätzlich gilt: Das Wichtigste nach oben, weniger Wichtiges nach unten; lebende Kolumnentitel tun ihr Übriges. Aber auch Überschriften einschließlich Marginalien übernehmen eine führende Rolle, sofern wir sie entsprechend platzieren und formatieren. Durch und durch wegweisend werden unsere Texte schließlich, wenn wir sie artgerecht differenzieren und einzigartig darstellen: z. B. Schrittanleitung nummeriert, Warnhinweise mit Symbol oder Rahmen usw.

Texte anordnen: Mit geräumigen Seiten und einem mehrstufigen Leitsystem haben wir den Grundstein für lesefreundliche Textgestaltung bereits gelegt. Folgen müssen mäßig große, leicht verdauliche Textportionen mit ausreichend Zwischenraum, damit sich das Gelesene setzen kann. Darüber hinaus können wir Schlüsselaussagen und -begriffe an markante Stellen rücken (in die Marginalienspalte, in die Zeilenmitte oder einfach nur durch Einzug, z. B. als Aufzählung): Das liefert zentrale Information auf den ersten Blick.

Ein Schlusswort der Ordnung halber

Ohnehin liest niemand ein Handbuch von der ersten bis zur letzten Seite (außer uns). Die Quereinsteiger informieren sich gezielt und punktuell. Die Überflieger blättern und verweilen bei interessanten Entdeckungen oder optischen Auffälligkeiten. Die Macher stürzen sich auf Schrittanleitungen. Doch selektives Lesen ist nur effektiv, wenn Ordnung herrscht – sichtbar und nachvollziehbar. Und was haben wir von all der Ordnung?

  • schnellere Texterstellung
  • mehr Konsistenz
  • besseren Überblick
  • minimiertes Redundanzrisiko
  • vereinfachte Dokumentenpflege

Warum sich also die Arbeit unnötig schwer machen? Nicht jeder beherrscht das Chaos – und auch wir müssen es nicht.

Folien zum Vortrag auf der tekom-Jahrestagung 2003