Verständlich schreiben: Wie geht das?

Verständlich schreiben bedeutet gerade in der Technikredaktion weitaus mehr als nur verständliche Wörter und Begriffe zu verwenden oder verständliche Sätze zu bilden. Verständlich schreiben heißt, Themen so zu präsentieren, dass wir unsere Leserschaft in die Lage versetzen, die angebotene Information problemlos aufzunehmen und abzuspeichern sowie praktisch umzusetzen.

Weiterlesen: Artikel zum Vortrag auf der tekom-Jahrestagung 2002

Information aufnehmen

Damit die Leserschaft die angebotene Information aufnehmen kann, müssen wir dieselbe Sprache sprechen, die Sprache unserer Zielgruppe. Denken wir aber auch an diejenigen, die visuell besser lernen. Bilder unterschiedlichster Art können in solchen Fällen die Informationsaufnahme erheblich vereinfachen. Worauf müssen wir achten?

Wir sprechen Deutsch, aber kein Beamtendeutsch: Unsere Texte müssen in Rechtschreibung und Grammatik korrekt sein. Das versteht sich von selbst. Korrektes Deutsch ist aber nicht automatisch leicht verständlich (Beispiel Beamtendeutsch). Deshalb müssen wir besonders darauf achten, dass wir Substantivierungen und Passivkonstruktionen, Satzklammern sowie unübersichtliche Schachtel- und Bandwurmsätze vermeiden.

Wir vermeiden Fachchinesisch: Wir verzichten möglichst auf Fremdwörter, Fachwörter und Abkürzungen. Weil das in technischen Texten nur bedingt machbar ist, müssen wir den verbleibenden Erklärungsbedarf decken: z. B. durch Glossare und Abkürzungsverzeichnisse.

Wir sprechen in Bildern: Bilder sagen oft mehr als Worte und meistens sagen sie es auch schneller. Einfachstes Beispiel sind Piktogramme, die z. B. Begriffe wie „Achtung“ oder „Wichtig“ äußerst effektiv ersetzen. Bilder sind aber nicht immer das Mittel der Wahl und nicht für jede Art von Information geeignet. Deswegen müssen wir von Fall zu Fall abwägen, welche Information wir vorzugsweise grafisch aufbereiten.

Information abspeichern

Wir müssen die angebotene Information einprägsam machen, damit unsere Leser(innen) das Geschriebene behalten. Das ist die eigentliche Kunst und wohl der anspruchvollste Teil unserer Arbeit. Wie geht das?

Wir machen’s komplett: Beim Puzzlen können wir einzelne Teile nur dann richtig platzieren, wenn wir das Gesamtbild vor Augen haben. Ähnlich verhält es sich mit technischer Dokumentation. Wir können Teilinformationen nur dann korrekt einordnen, wenn wir den Gesamtzusammenhang kennen. Erst dann ergeben Informationsdetails einen erkennbaren Sinn, erscheinen plausibel und können verinnerlicht werden. Deshalb müssen wir ausreichende Hintergrundinformationen liefern, ohne jedoch unsere Texte mit überflüssigen Fakten zu überfrachten.

Wir schaffen Ordnung: Vollständige Information nützt nichts, wenn sie ungeordnet ist. Damit wir uns Information besser merken können, müssen wir sie in unserem Kopf ordnen. Das fällt leicht, wenn bereits eine logische Ordnung vorgegeben wird. In der Technikredaktion können wir eine solche Ordnung herstellen, wenn wir folgerichtig schreiben, Wissen aufbauen, Wichtiges möglichst weit vorne platzieren und vom Allgemeinen zum Besonderen bzw. vom Ganzen zum Detail kommen. Das gilt sowohl für die Gliederung des Gesamtdokumentes, für den Aufbau jedes einzelnen Kapitels und zum Teil sogar für Überschriften, die immerhin das wichtigste Hilfsmittel zur inhaltlichen Strukturierung sind. Ordnung geht aber auch mit Übersichtlichkeit einher. Diese erreichen wir, wenn wir Informationen sinnvoll portionieren, d. h. mäßig große, überschaubare Informationseinheiten bilden.

Wir machen es kurz: Alles Überflüssige lenkt ab und erschwert uns das Einprägen zentraler Information. Deshalb ist es oberstes Gebot, sich auf das Wesentliche zu beschränken. Das beginnt bei der Informationsauswahl und reicht bis zum Formulieren, wobei wir prägnante Sätze bilden müssen, in denen jedes einzelne Wort Sinn transportiert. Der Kürze zuliebe kürzen wir auch unseren Wortschatz, indem wir ihn auf möglichst wenige treffende Begriffe reduzieren und diese durchgängig anwenden, anstatt mit Synonymen zu kokettieren. Bestehende Standardtermini (z. B. Microsoft-Terminologie) können uns die Wortwahl erleichtern. Aber auch die Gestaltung spielt beim Kürzen eine wesentliche Rolle. Schlüsselbegriffe an exponierter Stelle (z. B. in der Marginalienspalte) können uns eine Menge Text ersparen.

Wir werden konkret: Das erreichen wir vor allem, wenn wir nicht abstrahieren oder theoretisieren. Alle Inhalte müssen sich aus der Perspektive unserer Leserschaft an vertrauten Gegebenheiten orientieren, in direktem und erkennbarem Zusammenhang mit realen Situationen des Produkteinsatzes stehen und dahingehend Sinn ergeben. Am einfachsten erzielen wir Praxisbezug durch authentische Beispiele. Konkret werden heißt aber auch, allem Vagen abschwören und statt dessen präzise Informationen liefern, die keinen Interpretationsspielraum lassen und somit keinen Spielraum für Missverständnisse.

Wir werden aktiv: Lebendiger werden unsere Texte durch aktive Verbformen, die jegliche Passivkonstruktion verdrängen. Aber nicht nur die Verbform, sondern auch das Verb selbst kann, sofern es Dynamik besitzt, Bewegung vermitteln, die unsere Vorstellungskraft aktiviert. So entstehen Bilder in unserem Kopf, die das Geschilderte einprägsamer machen.

Information praktisch umsetzen

Selbst wenn unsere Leser(innen) Wörter, Sätze und inhaltliche Zusammenhänge verstanden haben, ist ein erfolgreicher Produkteinsatz noch lange nicht garantiert. Nun ist es an uns, die Kluft zwischen Theorie und Praxis zu überbrücken.

Wir halten uns an die Aufgaben: Die Aufgabenorientierung ist das A und O jeder Bedienungsanleitung. Nur wenn wir reale Aufgabenstellungen abbilden, haben Leser(innen) eine Chance, das Gewünschte schnell und leicht zu finden. Beim Formulieren solcher Aufgaben (z. B. als Überschriften) müssen wir uns an der gesprochenen Sprache orientieren, d. h. auf Substantivierungen verzichten und stattdessen passende, aufgabenkonforme Verben wählen. Wenn wir vermitteln wollen, was zu tun ist, sagen wir es am besten mit einem „Tun-Wort“.

Wir schätzen das Besondere: Es geht nicht immer alles gut, es läuft nicht immer alles glatt. Das gilt auch für Aufgaben und Arbeitsabläufe, die wir beschreiben. Wenn alles ganz anders kommt, als es im Handbuch steht, ist unsere Dokumentation keine große Hilfe. Um wirklich zu helfen, müssen wir auch an Sonderfälle denken und alle Eventualitäten abdecken. Das erfordert zuweilen etwas mehr Fantasie, als wir es in unserem Beruf gewohnt sind.

Wir nehmen’s genau: Unsere Information muss so präzise sein, dass ihre praktische Umsetzung auch funktioniert. So sind z. B. bei Zahlenangaben (Maße u. Ä.) ungefähre Werte wenig funktional und haben in technischer Dokumentation nichts verloren. Genauigkeit ist auch bei Handlungsanleitungen gefragt. Verben wie „sollen“ oder „können“ sind ebenso unangebracht wie Konjunktive oder Bitten. Durch Verzicht auf derartige Behelfswörter können wir klare, unmissverständliche Anweisungen geben, die befolgt werden. Der be- und gefürchtete Befehlston ergibt sich daraus nicht zwangsläufig.

Zu guter Letzt …

… sei gesagt, dass die genannten Tipps uns die tägliche Arbeit erheblich erleichtern können, insbesondere wenn es ums Formulieren und Strukturieren geht. Wir haben weniger Mühe, qualitativ hochwertige Dokumente zu erstellen, die gelesen und verstanden werden. Und das ist schließlich ausschlaggebend für den Produkterfolg, der wiederum unseren Arbeitsplatz ein gutes Stück sicherer macht.

Folien zum Vortrag auf der tekom Jahrestagung 2002 (Flash-Video)