Anglizismen in deutscher Technikdokumentation

Die Arbeit in der Technikredaktion konfrontiert uns täglich mit Anglizismen. Nicht immer entscheiden wir selbst, ob und wie viele Anglizismen sich in unseren Texten tummeln. Aber wir haben sehr wohl Einfluss darauf, sie korrekt zu verwenden.

Weiterlesen: Artikel zum Vortrag bei der tekom-Regionalgruppe Sachsen 2003

Wo liegt das Problem?

Textrecherchen liefern erschreckende Ergebnisse: Anglizismen in deutschen Gebrauchstexten sind nicht selten zu 70–100 % fehlerhaft. Was aber verursacht eine Fehlerquote, die das Maß des Erträglichen bei weitem übersteigt?

  • Zur Verwendung von Anglizismen in deutschen Texten gibt es nur wenige verbindliche Regeln, die zudem kaum Beachtung finden.
  • Der verbleibende regelfreie Raum schafft Unsicherheit und verführt unter anderem zu beliebiger „Zwangsverdeutschung“ (siehe Denglisch).
  • Bestimmte Unarten hinsichtlich Schreibung und Grammatik sind weit verbreitet, werden unreflektiert übernommen und gar nicht mehr als fehlerhaft erkannt.

Um der überdurchschnittlich hohen Fehlerquote erfolgreich zu begegnen, genügt es nicht, die geltenden Regeln zu kennen. Wir müssen uns vor allem bewusst machen, was Anglizismen im deutschen Textumfeld so fehleranfällig macht. Nur dann können wir angemessen reagieren.

Wo lauern die Gefahren, und wie vermeiden wir Fehler?

Gefahren lauern grundsätzlich bei allen Wortarten. Wesentliche Aspekte sind

  • das Geschlecht und der passende Artikel,
  • die Beugung,
  • die Schreibung.

Geschlecht und Artikel: Wenn wir nach dem passenden Artikel für ein Hauptwort fahnden, kann uns die Ermittlung des grammatikalischen Geschlechts große Probleme bereiten. Aus dem Bauch heraus ist diese Aufgabe nicht zu bewältigen, und oft genug unterliegen wir (unbemerkten) Irrtümern, die sich über Jahre hinweg eingebürgert haben. Der Duden liefert folgende Hilfestellung, die jedoch nicht wirklich hilft:

  • Das grammatikalische Geschlecht richtet sich bei Fremdwörtern nach der Wortendung.
  • Tendenziell haben Wörter mit gleicher Endung dasselbe Geschlecht.
  • Im Zweifelsfall dürfen wir das Geschlecht des deutschen Übersetzungswortes oder eines sinnverwandten deutschen Wortes übernehmen.

Während wir uns bei Wörtern lateinischer Herkunft noch recht gut an der Wortendung orientieren können, geht das bei Anglizismen kaum. Immer wieder erleben wir Überraschungen, und die Tendenz desselben Geschlechts bei gleicher Wortendung ist nur selten nachvollziehbar. Die Entleihung des Geschlechts deutscher Übersetzungswörter bzw. sinnverwandter deutscher Wörter scheint recht beliebig, da wir meist unter mehreren Begriffen wählen können. Was also tun?

Zunächst einmal sollten wir nachschlagen. In deutschen Nachschlagewerken finden sich erstaunlich viele (Fach-)Anglizismen, die glücklicherweise bereits mit einem Artikel ausgestattet sind. Werden wir nicht fündig, oder plagen uns Zweifel, dann helfen einige Formulierungstricks, dank derer wir auch ohne exakte Bestimmung des grammatikalischen Geschlechts auskommen:

  • Hauptwörter als (direktes) Subjekt meiden
  • Mehrzahl verwenden oder Aufzählungen bilden
  • Unbestimmten Artikel setzen oder Präposition verwenden
  • Gerund bilden anstelle anderer verbstämmiger Substantivformen

Mit substantivischen Abkürzungen verfahren wir im Wesentlichen ebenso. Allein Eigennamen (z. B. Produktnamen) bedürfen einer besonderen Behandlung, wobei es sich empfiehlt, den Artikel grundsätzlich wegzulassen. So tun wir es schon längst bei Produktnamen wie „Microsoft Office“, „Excel“, „PowerPoint“, „Word“ usw. Eine einleitende Sachbezeichnung bietet sich als Alternative, z. B. so: das Programm „Word“.

Beugung: Die Beugung macht uns bei Hauptwort, Eigenschaftswort und Zeitwort das Leben gleichermaßen schwer. Speziell bei Hauptwörtern versäumen wir sie gerne. Damit wir nicht – wie der Duden es nennt – der Unterlassung bezichtigt werden, sei Folgendes beachtet:

  • Auch englischstämmige Hauptwörter werden grundsätzlich gebeugt.
  • Genitiv- und Mehrzahlendung ist generell „-s“, von wenigen Ausnahmen abgesehen.
  • Für subjektivische Abkürzungen gelten die entsprechenden deutschen Regeln.

Unabhängig davon steht es uns natürlich frei, Sätze so zu konstruieren, dass wir Mehrzahlbildungen vermeiden. Um den Genitiv zu umgehen, eignen sich insbesondere Wortzusammensetzungen. Speziell bei Produktnamen leisten uns einleitende Sachbezeichnungen und das Wörtchen „von“ große Dienste.

Die Beugung ist es, die uns auch den Umgang mit englischen Eigenschaftswörtern vermiest, denn: englische Eigenschaftswörter beugen sich einfach nicht. Auch wenn wir sie folglich in ihrer Grundform verwenden müssen, lassen sich durchaus gefällige Sätze bilden, indem wir z. B.

  • aus Eigenschaftswort und Hauptwort ein zusammengesetztes Hauptwort bilden,
  • dem Eigenschaftswort eine Sachbezeichnung voranstellen,
  • das Eigenschaftswort in einem Nebensatz platzieren.

Schließlich macht auch das Zeitwort nichts als Schwierigkeiten, wenn es ums Beugen geht. Schon die „deutsche“ Grundform (z. B. „booten“ von „to boot“) ist gemeinhin als Denglisch verschrien. Versuchen wir, ein Zeitwort in die Vergangenheit zu setzen, wird es spätestens dann brenzlig, wenn wir uns für das zuständige Hilfsverb (haben oder sein) entscheiden müssen. Aber auch die Frage nach Getrennt- oder Zusammenschreibung vermeintlich zusammengesetzter englischer Zeitwörter ist nicht ohne weiteres zu beantworten. Heißt es „Downloaden Sie…“ oder „Loaden Sie … down“? Lösen lassen sich solche Fälle, wenn wir statt des Zeitwortes ein geeignetes Hauptwort verwenden. Das könnte z. B. so aussehen: „den Boot-Vorgang starten“ statt „booten“, „einen Link setzen“ statt „linken“ oder „das Resetting auslösen“ statt „resetten“.

Schreibung: Die Schreibung von Anglizismen ist recht umfassend geregelt. Vorausgeschickt sei, dass die englische Originalschreibung nur zulässig ist

  • bei Zitaten,
  • bei längeren englischen Texten oder auch,
  • um die Ursprünglichkeit eines Begriffes bewusst zu bewahren oder zu betonen.

Ansonsten gelten weitgehend deutsche Regeln, wie folgende Punkte beispielhaft zeigen:

  • Groß-/Kleinschreibung: Hauptwörter werden großgeschrieben.
  • Getrennt-/Zusammenschreibung: Substantivische Fügungen – egal, ob ein- oder mehrsprachig – werden bevorzugt zusammengeschrieben (z. B. Desktoppublishing, Computerschule).

Mehr als im Deutschen wird bei Anglizismen oft zum Bindestrich gegriffen, der bei mehrgliedrigen Ausdrücken zur Hervorhebung einzelner Wortglieder erlaubt ist und nach individuellem Ermessen eingesetzt werden kann. In einigen Fällen kommen wir sogar ohne ihn nicht aus, z. B. bei Fügungen aus Abkürzung und Haupt-/Eigenschaftswort (PC-Kabel, EDV-lastig).

Trotz aller Regeln können sich Situationen ergeben, in denen wir zwischen mehreren möglichen Schreibweisen wählen müssen, beispielsweise bei Backupverfahren/Backup-Verfahren/Back-up-Verfahren. Da der Bindestrich Lesbarkeit und Verständlichkeit insbesondere gemischtsprachiger Wörter erheblich erhöhen kann, sollte uns die Entscheidung nicht schwer fallen.

Fazit

Zum Eingliedern von Anglizismen bietet uns das Deutsche Regeln und Orientierungshilfen, räumt aber auch einen gewissen Spielraum ein, der genug Platz lässt für Fehler. Dank vielfältiger grammatischer Möglichkeiten können wir mit einfachsten Mitteln und einigen Kniffen auch in Zweifelsfällen den fehlerfreien Gebrauch von Anglizismen sicherstellen. Bewahren wir also unsere Sprache vor Kauderwelsch, indem wir ihre Möglichkeiten vollends ausschöpfen. Präsentieren wir das Deutsche als gastliche, praktikable und vor allem als flexible Sprache, die für alle Eventualitäten gewappnet ist. Wenn wir die deutsche Sprache schätzen und sie pflegen wollen, sind wir es nicht zuletzt den Leserinnen und Lesern schuldig, unumgängliche Anglizismen korrekt und schmiegsam in unsere Texte einzubringen. Anglizismen zu verwenden muss nämlich nicht bedeuten, schlechte deutsche Texte zu produzieren.